Wie fühlt es sich an, ein halbes Jahrhundert alt zu sein? In zwei Tagen weiß ich es.
Ja, dann bin ich 50 (in Worten fünfzig).
Jetzt sitze ich da und fühle mich – nur auf den Augenblick konzentriert – nicht anders als sonst.
Aber wie sollte ich mich fühlen? Kann mir bitte wer sagen, wie man sich „gesellschaftlich anerkannt” mit 50 zu fühlen hat?
Am Donnerstag ging ich mit meiner Freundin Tina in den Wald. Wir kennen uns seit mehr als 30 Jahren. Das Gefühl, das wir an diesem Tag im Wald hatten, war als ob wir Kinder wären – entdeckend, riechend, bewundernd, Zeit vergessend, absichtslos und auch genießend, dass uns bei unserem Spaziergang niemand antrieb, dem wir zu langsam waren. Beide hatten wir das Gefühl von Kindsein in uns. Das war definitiv kein Gefühl von 50 Jahre alt sein. (Wenn ich jetzt pingelig wäre, könnt ich ja sagen, da war ich es noch nicht – Tina aber schon. 🙂 )
Morgen habe ich meine Geburtstagsparty. Heute bin ich schon nervös und fühle die gleiche Nervosität wie an allen meinen Feiern der letzten 30 Jahre. Wird es allen gefallen, schmeckt das Essen, werden wir uns amüsieren? Die Nervosität ist die gleiche, die Beteiligten haben zum Teil über die Jahre gewechselt.
In manchen Situation bin ich noch immer so schüchtern/frech wie seit ewigen Zeiten – gefühlt hat sich nichts geändert. An den „richtigen“ Tagen fühle ich mich zurückversetzt, schimpfe mit mir, weil ich so scheinbar nicht klüger geworden bin, nichts dazu gelernt habe in all diesen Jahren. Und dann gibt es diese Tage, wo ich selbst lache, wie Kind ich auch noch bin und rede mir selbst gut zu, dass alles ok ist. Es gibt aber auch die Tage, wo ich einfach richtig erwachsen und manchmal einfach schon fast wieder zu vernünftig bin.
50 ist das neue 30 – will ich das überhaupt? Würde es etwas ändern? Brauche ich einen Stempel, um mich zu orientieren, zu wissen, wo ich stehe? Oder bezieht sich das eh nur auf die Außenfassade? Älter/alt darf ich ja werden, aber sehen soll es am besten niemand. Ich mag diese irgendwas ist das neue weißt-nicht-was überhaupt nicht. Weil es doch wieder nur eine subtile Art ist, mir zu sagen “so wie du gerade bist, ist mit dir was nicht in Ordnung.” (Meine Meinung!!!)
Möglicherweise braucht es einfach nur mal wieder mein Bekenntnis, dass ich keine Figur im jetzigen „Gesellschaftsspiel“ sein mag?
Am Arbeits-such-Markt bin ich schon eine gefühlte Ewigkeit eine ältere Arbeitnehmerin (auf dem ich zur Zeit nicht Platz nehme! 🙂 ) Auf diesem „Markt“ bekommt frau schnell das Gefühl, alt, verbraucht und senil zu sein – da kann sie selbst dagegenhalten, was sie will. (Egal, ob zeitaktuelle Fort- und Weiterbildung, Auseinandersetzung mit den neuen Medien und dem Fakt, dass sie seit Jahren weniger krank als früher ist.) Der Stempel wirkt!
Der Partnerschafts-Markt spielt sich ähnlich unter ähnlichen Bedingungen ab – der Prinz (eigentlich sollte es in diesem Alter schon ein König sein 🙂 ) reitet an der Königin vorbei und sucht sich eine junge, knackige Prinzessin, die ihn sich wieder jung fühlen lässt.
Am Marktplatz bin ich wahrgenommen als Zielgruppe für regenerative und/oder reparierende Kosmetik, unterstützende Produkte für die Menopause und die Textilfarben der Kleidung werden etwas gedeckter. ( Gott sei Dank wird es in diesem Bereich schon besser – auch bei Frauen mit Format. Wobei – der Grat zwischen jugendlich schick und um jeden Preis jung auch ein sehr schmaler sein kann.)
Einerseits dieser ewige Spruch von „jede/r ist so alt wie sie/er sich fühlt“ andererseits komme ich bei all den Anforderungen der Gesellschaft gar nicht mehr dazu, meinen Standpunkt zu bestimmen. Es liegt das sich Fühlen nicht nur in der Eigenverantwortung, sondern auch in der gesellschaftlichen. Ich kann/mag mich selbst noch so jung fühlen, sobald mein Geburtsdatum auf ein Dokument muss, habe ich den Stempel “älter/alt”.
Ich nehme mir vor, mich nicht (mehr) an dieser Geburtstagszahl „aufzuhängen“. Um wieder einmal Pipi Langstrumpf zu zitieren – ich mache mir die Welt wie sie mir gefällt.
Das ist das Einzige, was ich mir zu diesem nächsten halben Jahrhundert vornehme, nämlich mich so alt zu fühlen, wie ich mich gerade fühle. Ich erlaube mir alle Alter in mir zu leben, egal ob jung oder alt oder mittendrin oder alle zur selben Zeit.
Weil es nur darum geht, nämlich ich zu sein und zu werden – auch in der zweiten Hälfte meines Jahrhunderts. 🙂
Ja, genau dafür gebe ich mir jetzt die Erlaubnis