Wieder einmal habe ich Weihnachten geschafft, hinter mich gebracht.
Seit 2011 – seit dem Tod meiner Mutter – bin ich Weihnachten auf Herbergssuche. Meine Ursprungsfamilie ist nicht mehr da, eine eigene Familie gibt es nicht und schon bin ich allein.
Immer wieder einmal kam in den letzten Jahren Scham in mir auf, Weihnachten auf Herbergssuche zu sein, darum bitten eingeladen zu werden, wo dabei sein zu dürfen, Weihnachten nicht allein verbringen zu „müssen“.
Ich habe viele Herzensmenschen in meinem Leben, die das ganze Jahr für mich da sind.
Weihnachten – nur das Fest der Liebe?
Und doch ist Weihnachten, das Fest der Liebe und der Familie. Das eine Weihnachten, nach dem viele von uns sich so sehnen (auch ich), das Weihnachten mit Friede, Freude und Weihnachtskeksen, Besinnlichkeit und wie in den Märchen, Filmen und der Werbung. Das eine Weihnachten, wo Kitsch sozial anerkannt ist, fast zum guten Ton gehört und wo es glitzert, blinkt und strahlt. Das Weihnachten der Tradition, der Sehnsucht und der Christkindl-Markt-Romantik.
Und dann gibt es das andere Weihnachten, für das kalkuliert wird, ob sich die Geschenke finanziell ausgehen, wo Wunschlisten länger als Klopapier-Rollen sind, wo viele auf Familie machen (müssen) und hold lächeln, obwohl sie dabei schon fast ex- oder implodieren, das Weihnachten des 21. Jahrhunderts mit Stress, genervt sein, Überforderung und Zwang- das Weihnachten des „das gehört sich aber so und wenn es mich umbringt“.
Es gibt auch noch ein anderes Weihnachten, das aber so still und leise abläuft, dass es fast nicht mehr wahrgenommen wird in dieser lauten Zeit – das, wo der Geist der Weihnacht noch Platz hat.
Kein Fest im Jahreskreis birgt so ein Spannungsfeld zwischen Wunsch, Sehnsucht und der harten Realität. Kein Fest ist einerseits noch so der Tradition verbunden, fast gefesselt und andererseits so kommerzialisiert und mit den diversen Klischees, die gar nicht mehr erfüllbar sind, belegt.
Moderne Herbergssuche zu Weihnachten
Und doch ist es durchwegs noch ein Familienfest, wo „Fremde“ fast immer noch so wenig Platz haben wie vor ca. 2000 Jahren zu Christi Geburt. Es fängt gar nicht bei den echten Fremden an, sondern oft schon bei den, nicht allen in der Familie so bekannten Menschen, den Freunden.
Und so ist Weihnachten für mich eine moderne Herbergssuche, auch wenn ich satt bin, nicht frieren brauche und meine eigene “Krippe” habe. Ich bitte um Herberge am Heiligen Abend, weil ich noch nicht so weit bin, den Heiligen Abend allein zu verbringen. Diese Herbergssuche macht etwas mit mir, ich fühle mich manchmal, wie viele andere Menschen zu Weihnachten auch einsam, nicht geliebt, weil sonst hätte ich ja auch eine Familie mit der ich Weihnachten feiern könnte. Da spuken mir Fragen im Kopf herum, das Teuferl in mir hat grad so eine Freude.
Weihnachten als Gradmesser für geliebt und beliebt sein? Was für ein Blödsinn, erkennt die Erwachsene in mir, die dann an die anderen 362 Tage des Jahres denkt, wo immer Herzensmenschen um sie herum und für sie da sind. Doch das Teuferl in mir sieht dann halt genau diese drei Tage, wo es bitten „muss“.
Bis jetzt wurde mir immer Herberge gegeben, ich lernte die verschiedensten Familienrituale und -traditionen kennen, sang Stille Nacht mit und hörte Weihnachtsgeschichten und war dankbar. Jedes einzelne Mal war eine besondere Weihnacht, mit dabei sein in der Familie meiner Herzensmenschen.
Dieses Jahr habe ich mir ein Stück weit mehr Weihnachten auch selbst gestaltet, mit einem allein verbrachten Feiertag. Ich fühlte mich ganz ruhig und friedlich, machte einen Waldspaziergang und kehrte zu Bratapfeltorte und Lebkuchenlikörchen ein.
Und ich fühlte mich nicht blöd, weil ich als einzige allein war! Das war mein bestes Weihnachtsgeschenk an mich selbst 🙂
Im kommenden Jahr werde ich mich weiter darin üben, mit Dankbarkeit auf die 362 zu blicken, an denen meine Herzensmenschen für mich da sind und nicht auf die 3 Tage zu Weihnachten. Versprochen!